Voran! Voran! Historische Einblicke ins Reisen nach und auf Usedom

© Hans-Jürgen Merkle
Historie Hans Juergen Merkle 5

In unserer modernen Zeit sind Autos und Wohnmobile, Busse und Bahn sowie Flugzeuge nicht mehr wegzudenken. Sie alle befördern die Gäste jeden Tag auf, über und von der Insel. Doch drehen wir die Zeit einmal zurück – zu den Anfängen des Bäderwesens, zu den Jahren als der Tourismus noch in den Kinderschuhen steckte.

Pferdewagen und Kutschen prägten einst das Straßenbild. Hoch zu Ross bewegten sich die Menschen über Kurz- und Mittelstrecken, Segelschiffe hingegen beförderten sie auch zu entfernten Häfen. Das Reisen war beschwerlich, gefährlich und langwierig. Als Alternative zum Pferd, bürgerte sich Mitte des 19. Jahrhundert das Fahrrad, früher noch Draisine und Laufmaschine genannt, ein.

Zu Zeiten der Deutschen Revolution, in dessen Folge ein Deutsches Reich mit König Wilhelm I. (1797 – 1888) von Preußen als deutscher Kaiser ausgerufen wurde, wird auf dem Steinersberg in Heringsdorf das erste Gotteshaus, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Zahl der Sommerfrischer, in einem der Usedomer Seebäder erbaut. Bereits 1825, als Heringsdorf zum Badeort ernannt wird, ließ Georg von Bülow bereits das erste Logierhaus, das Weiße Schloss, auf dem Kulm erbauen. Während Ahlbeck erst 1852 als Badeort folgt, zählt Heringsdorf 1853 bereits mehr als 400 Gäste, wenngleich gerade einmal 135 Einwohner gezählt werden. Doch die Anreise auf die Insel entbehrte noch jeglichen Komfort, der erst mit den modernen Verkehrsmitteln aufkam.

Es ist heute kaum vorstellbar, dass zur damaligen Zeit die Reise von Berlin nach Heringsdorf mit der Kutsche noch mehrere Tage in Anspruch nahm. Schließlich wurde die Eisenbahnstrecke von Berlin nach Wolgast erst im Herbst 1863 und die Bahnstrecke bis Swinemünde erst im Frühjahr 1876 in Betrieb genommen – Die Streckenverlängerung nach Heringsdorf folgte erst 1894. Erst mit dem Ausbau der Eisenbahn war die Anreise von der Hauptstadt auf das Eiland an nur einem Tag möglich, wenngleich der Verkehr auf der Insel nach wie vor beschwerlich erschien.

Mit dem Aufkommen der modernen Verkehrsmittel und der Erweiterung der Verkehrswege rückte Usedom plötzlich so nah an Berlin heran, dass sich die Insel in den Folgejahren, um die Jahrhundertwende, zur Badewanne Berlins wandelt.

Mit der Gründung der „Actiengesellschaft Seebad Heringsdorf“ durch die Brüder Hugo (1825 – 1900) und Adelbert Delbrück (1822 – 1890) avancierte die kleine Gemeinde zum noblen Seebad, das den Beinamen Nizza der Ostsee trug. Sie waren es, die Heringsdorf die Kaiser-Wilhelm-Brücke brachten, die 1893 erbaut wurde und 1903 einen seitlichen Anleger für Dampfschiffe, die Odin-Brücke, erhielt. Zuvor mussten die Ausflugs- und Linienschiffe noch vor der Küstenlinie ankern, Beiboote ablassen und die Gäste ausbooten. Von 1897 bis 1907 galten die pommerschen Dampfschiffe als die schnellsten der Welt, holten sie doch regelmäßig die Ehrung des „Blauen Bands des Atlantiks“ auf der Route von Europa nach Nordamerika ein.

Die Linien- und Ausflugsschiffe machten die Anreise auf und über die Insel schnell und komfortabel. Werner Delbrück (1868 – 1910) beschrieb Fahrt von Berlin via Stettin bis Heringsdorf als herrlich, interessant und reizvoll: Erst mit der Eisenbahn nach Stettin, dann mit dem Linienschiff nach Heringsdorf, das ebenso in Swinemünde, Wollin, und Sassnitz, Rügen, anlegte. Die Ausflugsschiffe verkehrten von Swinemünde aus, machten Halt in Ahlbeck, Heringsdorf, Bansin und Zinnowitz, bevor sie nach Göhren, Sellin, Binz und Sassnitz fuhren.

Der Linien- und Ausflugsverkehr von und auf die Insel Usedom endete mit dem Eintreten des Ersten Weltkriegs, in dem die Dampfschiffe als Hilfsschiffe der Marine beansprucht wurden. Nach dem Ende des Krieges fuhren sie vorübergehend wieder auf ihren angestammten Linien, bis sie als zu klein für das wachsende Passagieraufkommen gewertet wurden. Mit dem Zweiten Weltkrieg, war faktisch nicht nur das vorübergehende Ende der Dampfschifffahrt, sondern auch des Tourismus erreicht. Nicht nur auf der Insel. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs schränkten das Reisen vorerst massiv ein, der Tourismus in der DDR wurde primär staatlich abgewickelt. Mit dem FDGB-Feriendienst, der auch in Heringsdorf durch die Aktion Rose Gebäude an der Ostsee beschlagnahmte, wurden der arbeitenden Bevölkerung der Jahresurlaub subventioniert.

„Visafrei bis nach Hawaii“ verlangten die Massen als die Mauer fiel. Mit der Wende vor dreißig Jahren kam auch die Reisefreiheit, die für die Bürger der DDR bis dato ein Fremdwort war. Auch wenn der staatliche Erholungsdienst das Reisen in das sowjetische Ausland befürwortete, war nur wenigen ein Urlaub außerhalb der Grenzen der DDR vergönnt. Mit der Reisefreiheit fuhren die „Ossis“ vorerst nicht auf die deutschen Inseln, sondern in die „alten Bundesländer“ – an den Strand zog es nicht einmal mehr ein Viertel der Ostdeutschen.

Und von wo aus und mit welchem Verkehrsmittel reisen Sie auf unsere schöne Insel?

Doch auch wenn die Insel Usedom einen Besuchereinbruch erlitt, blieb die Zeit hier nicht stehen. Während die FDGB-Heime geschlossen und die Häuser an ihre ehemaligen Besitzer zurückgegeben wurden, erhielt die älteste Seebrücke Deutschlands einen neuen Steg (1993), Heringsdorf bekam gar die längste Brücke Deutschlands (1995) und die Usedomer Bäderbahn nahm ihren Betrieb auf (1996). Doch im Laufe der Zeit, kehrten die Deutschen, nun Ost und West, auf ihre geliebte Insel zurück. Waren es 1991 nur knapp 57.000 Gästeankünfte, verzeichnete man zehn Jahre später bereits 244.000 Gästeankünfte – allein in den Kaiserbädern Ahlbeck · Heringsdorf · Bansin. Heute zählt die Insel mehr als fünf Millionen Übernachtungen im Jahr (Stand: 2018), wobei knapp 95 Prozent der Gäste aus Deutschland, primär aus Brandenburg, Berlin, Sachsen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, anreisen.