Badekultur an der Ostsee - Strandmode im Laufe der Geschichte

Bansin 1930 © Hans-Jürgen Merkle
Hans Juergen Merkle 4

Haben Sie schon mal vom viktorianischen Badekleid gehört? Das ist nicht verwunderlich, haben wir doch seit Beginn des 20. Jahrhunderts einen weiten Weg in Sachen Mode und Emanzipation zurückgelegt. An allen Fronten, ob für Männlein oder Weiblein, hat sich die Bademode weiterentwickelt und verändert: Aus Wolle wurde Viskose dann Baumwolle und Elasthan; Säume wurden höher und höher und höher; aus einem Stück wurden zwei Teile dann wieder eins oder keins; aus Träger wurden Riemen und dann Schnüre; aus Shorts wurden Höschen dann Slips dann Strings; und aus Hemdchen wurden Bustiers und dann Bandeaus.

Während man zu Zeiten der Jahrhundertwende sowohl an Land als auch im Wasser recht zugeknöpft daherkam, wurde die Bademode im Laufe der Zeit ein Mehr an nichts und ein Weniger ist Mehr. Das blickdichte Gürtelkostüm wich dem freizügigen Bikini.

Doch die Entwicklung der Strandstile wurde erst mit der Entstehung von Seebädern möglich, die seit eh und je als Flaniermeile und Statusmaß herhielten. Einst demonstrierte man seine Exklusivität und seine Prominenz, konnte man sich doch eine Reise in ein Seebad gönnen; derweil präsentiert man seinen Körper und seine Vorzüge, geht es doch nunmehr um das perfekte Aussehen im Urlaub.

Wenngleich Juists Inselpastor Gerhard Otto Christoph Janus (1741-1805) als der Vater des Entwicklungsgedankens eines Seebades gilt, so waren es doch Heiligendamm (1793) und Norderney (1797), die ihre Pforten als erste deutsche Seebäder auch für ihre Gäste öffneten. 1825 folgte Heringsdorf als Badeort, wenngleich der Titel des Seebades erst mit kaiserlicher Anordnung im Jahr 1879 vergeben wurde.

Die Verwaltung und Obrigkeit erhoffte sich primär – mit dem Status des Seebades – Adel und Prominenz anzulocken, die heilende Wirkung von Luft, Wasser und Wald zu verbreiten war ein erwünschter sowie erfreulicher Nebeneffekt. Wie auch immer, mit dem Titel kamen Verpflichtungen auf die Ortschaften zu – es entstanden Logierhäuser, Konzertgärten, Warmbäder, Hotelanlagen, Eisenbahnstrecken, Bädervillen, Seebrücken, Strandcasinos, Solebrunnen, Musikpavillons und Strandkorbfabriken. Und es funktionierte: Die Aristokratie der Kaiserzeit hielt Einzug.

Doch die Frage aller Fragen: Wie stieg man nun in dieser Zeit in die Fluten?

Fühlte man sich unbeobachtet, stiegen die mutigsten der Mutigen wahrscheinlich auch gern in ihrer Unterwäsche in das ach so verlockende Meer, gewiss aber in die Seen und Flüsse.  Doch machte man es sich am Strand gemütlich, nutze man Badeschiffe und Badekarren, die vor neugierigen Blicken und schaulustigen Ansichten schützen. Mit Hüten und Häubchen bedeckt, machte man es sich im Sand oder im Korb bequem.

Während die Fotografien dieser Zeit schwarz und weiß sind, ging es doch tatsächlich am Strand bunter zu: Rot, Blau und Weiß, einfarbig, beblümt oder gestreift – das war die Bademode der 1910er Jahre. In den goldenen Zwanzigern zeigte man zusehends mehr Haut. Da man die Moral in Gefahr sah, wurde 1932 mit dem sogenannten „Zwickelerlass“ festgelegt, welche Kleidung in der Badekultur verpflichtend zu tragen ist. Darin wird nicht nur das Nacktbaden verboten, sondern bedeckende Badeanzüge für Frau und Mann vorgeschrieben. Die Bevölkerung selbst nahm es mit Humor und Heiterkeit: Man nahm es als Symbol für unangemessenes Eingreifen des Staates in die Persönlichkeit und als Sinnbild kleinkarierter Politik auf höherer Ebene.

Im Jahr 1942 wurde, wenngleich dieser wohl kaum als bare Münze genommen wurde, der „Zwickelerlass“ aufgehoben und durch die „Regelung des Badewesens“ ersetzt, die nun auch das Nacktbaden an dafür ausgezeichneten Flächen erlaubte. Dies kann wohl als Geburtsstunde der FKK bezeichnet werden.

Vielen Dank an Jürgen Kraft, dem Bademodensammler, für seine historische Tätigkeit und die Fülle an Informationen.